18.05.2021
Espasingen – Wer aufmerksam durch die Ortsmitte Espasingens spaziert, konnte sie vielleicht schon entdecken. Auf dem Gelände der „Alten Brauerei“ wurden zwei riesengroße „Vogelhäuschen“ aufgestellt. Bei diesen Vogelhäusern handelt es sich um Schwalbenhäuser. Die Nisthilfen bereiten die anstehenden Sanierungsarbeiten des Gebäudekomplexes vor. In gewaltiger Präzisionsarbeit wurden diese am 09. April aufgestellt, just an dem gleichen Tag, als die ersten Schwalben über der Ortschaft kreisten.
Wie vielen bereits bekannt sein dürfte, soll das Wahrzeichen des Ortes ab Herbst 2021 saniert werden. Die Gnädinger & Mayer GmbH aus Radolfzell, die seit über 30 Jahren erfolgreich als etablierter Bauträger im Bereich Denkmalsanierung tätig ist, hat das Anwesen im Februar 2019 vom gräflichen Haus Bodman erworben. Auf dem Aeal, welches eng mit der Geschichte des Dorfes verwoben ist, sollen nun etwa 20 Wohnungen mit Charme eines Industriedenkmals entstehen.
Bewohner gibt es jedoch schon heute – neben einem Weißstorchpaar, das auf dem Dach brütet, beherbergt das Gebäude eine der größten Mehlschwalbenkolonien im gesamten Bodenseegebiet. Im vergangenen Sommer zählte Hanns Werner vom NABU Radolfzell-Hegau dort 138 intakte Naturnester. Um herauszufinden, wie viele davon 2020 besetzt waren, haben sich Lucia Fuchs (ebenfalls vom NABU) und er mit Liegestuhl und Fernglas gewappnet um mit viel Geduld die Nester zu zählen, aus denen Jungschwalben herausschauten oder die mit Futter im Schnabel angeflogen wurden. Ergebnis: Mindestens 74 der 138 Nester waren besetzt.
Da Mehlschwalben gemäß Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) zu den „besonders geschützten“ Arten zählen, besteht die Verpflichtung, die Kolonie, trotz des massiven Umbaus des Gebäudes, zu erhalten. Und das ist gar keine so leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, dass Mehlschwalben nicht nur orts- sondern sogar nesttreu sind. Das heißt, die Vögel finden nach 20.000 km Vogelzug genau ihren Brutplatz vom letzten Jahr wieder.
Um die Umbauarbeiten möglichst schwalbenfreundlich zu gestalten, arbeiten die Gnädinger & Mayer GmbH und der Architekt des Bauvorhabens Hilmar M. Lutz eng mit dem Naturschutz zusammen. Gemeinsam mit dem NABU und der Unteren Naturschutzbehörde wurde ein ausgeklügeltes Konzept entwickelt, damit eine Chance besteht, dass die Population auch nach dem Umbau erhalten bleibt.
Die Schwalbenhäuser, wurden maßgeblich von der Stadt Stockach als freiwillige ökologische Ausgleichsmaßnahme finanziert und werden von dieser als Maßnahme im Zusammenhang mit der Renaturierung des Eisweihers gesehen. Die Türme sind nur ein kleiner Teil der vereinbarten Maßnahmen. So wurde ein striktes Zeitfenster für die äußeren Umbaumaßnahmen fixiert. Der Baubeginn im Außenbereich wird nun also nicht vor Anfang September dieses Jahres starten und muss bis Ende März 2022 abgeschlossen sein. Hanns Werner betont, dass es – neben den künstlichen Nestern am Schwalbenhaus –zudem wichtig sei, den Schwalben die Möglichkeit zu geben, selbst neue Nester zu bauen. Dazu muss in der Umgebung Baumaterial in Form von Lehmpfützen vorhanden sein. Für die nesttreuen Schwalben dürfte jedoch vor allem die Aussage von Architekt Hilmar M. Lutz erfreulich sein, der darüber nachdenkt, ob der Königsweg gelingen kann, die Naturnester trotz Umbau zu erhalten.
Pressekontakt:
Susanne Schwab, Referentin Öffentlichkeitsarbeit, 07531 921 66 40, susanne.schwab@NABU-Bodenseezentrum.de